Warum das Resettlement-Programm nicht ausreichend ist

Legale und sichere Wege nach Deutschland existieren nur für die allerwenigsten Flüchtenden. Beispielhaft ist etwa Deutschlands Beteiligung am Resettlement-Programm des UNHCR zu nennen, in dessen Rahmen individuell ausgewählte Personen einreisen dürfen und eine Aufenthaltserlaubnis von zunächst drei Jahren erhalten. Für ausgewählte wenige Menschen eine große Chance – ein humanitäres Visum hingegen würde deutlich mehr Menschen eine Alternative zum todbringenden Weg über das Mittelmeer oder die Balkanroute bieten.Durch Resettlement, also Neuansiedlung, werden bereits in Erstaufnahmestaaten besonders schutzbedürftige Geflüchtete ausgewählt, die in einem anderen Aufnahmeland Schutz und Aufenthaltsrecht erhalten sollen. Die betroffenen Personen werden dann auf Kosten des Aufnahmelandes direkt dorthin überbracht und müssen sich auch keinem weiteren Asylverfahren unterziehen.

Für Menschen auf der Flucht also eine sehr attraktive Lösung – kann Resettlement nicht eine ideale Option sein, Geflüchtete gefahrlos und schnell aus Krisenregionen herauszuholen und ihnen eine Bleibeperspektive in sichereren Gegenden zu verschaffen? Wieso fordern wir von VisaWie nicht die Ausweitung der Resettlement-Programme, sondern mit dem humanitären Visum einen bisher kaum gegangenen Weg der legalen Einreise?

Resettlement vs. humanitäres Visum – eine Gegenüberstellung

Eine der meistkritisierten Schwachstellen ist die Frage der Kontingente, an die die Resettlement-Programme geknüpft sind. Da sich die Aufnahme von Geflüchteten über Resettlement nach der freiwilligen Bereitschaft der Staaten und keineswegs nach dem tatsächlichen Bedarf der Menschen in Notsituationen richtet, werden kaum je alle Geflüchteten auf diesem Weg sicher einreisen können. Sie bleiben der politischen Entscheidung über Kontingente ausgesetzt. Konkret heißt das, man ist dem gutmütigen Willen anderer ausgesetzt, für so ein Resettlement-Programm ausgewählt zu werden.

Bei der Erteilung eines humanitären Visums hingegen würde es sich um eine individuelle Entscheidung über jeden Antrag handeln, es könnte also vermieden werden, dass Tausende Geflüchtete jahrelang in unmenschlichen Lagern in Erstaufnahmestaaten ausharren müssen. Jede*r Geflüchtete könnte das Visum eigenständig beantragen und sich darauf verlassen, dass sein*ihr Antrag innerhalb relativ kurzer Zeit bearbeitet und ihm, wenn begründet, stattgegeben wird. Die Geflüchteten, die in Erstaufnahmestaaten auf einen Resettlementplatz warten, können hingegen selbst nichts tun, um die Vorgänge zu beschleunigen bzw. zu beeinflussen.

Die aktuell 80.000 Plätze im Jahr, die weltweit bisher über Resettlement zur Verfügung stehen, sind im Vergleich zu über einer Million laut UNHCR benötigten Plätzen verschwindend gering und stellen keine wirkliche Alternative für die meisten Menschen in einer akuten Notsituation dar. Ein humanitäres Visum könnte einer unbegrenzten Anzahl an Personen zur Verfügung gestellt werden, vorausgesetzt, sie hätten aufgrund ihrer Lage einen Anspruch darauf. Für Menschen, die beispielsweise von Libyen aus in Booten nach Europa übersetzen, wäre ein solches Visum eine realistischere Möglichkeit, auf diesen teuren und gefährlichen Weg zu verzichten.

Ein weiterer kritikwürdiger Punkt ist das Auswahlverfahren, in dem festgelegt wird, wer mithilfe des Resettlementprogramms einreisen darf.Bereits im Erstaufnahmestaat wird darüber entschieden, ob ein*e Geflüchtete*r in Europa Flüchtlingsschutz erhält. Dementsprechend langwierig und kompliziert sind die Verfahren, bei denen bereits sämtliche Kriterien für die Anerkennung als Flüchtling geprüft werden müssen. Während dieser Zeit verbleiben die Personen im Erstaufnahmestaat – eine oft spontan notwendige Flucht, die über Resettlement bereits aufgrund der engen Kapazitäten unmöglich ist, wird durch die Dauer der Verfahren noch weiter hinausgezögert. Die Erteilung eines humanitären Visums hingegen wäre innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums möglich, worauf direkt die Einreise erfolgen könnte. Die Geflüchteten würden erst in Deutschland das Asylverfahren wie üblich durchlaufen, hätten also noch keine Garantie auf Flüchtlingsschutz, wären jedoch bereits außerhalb der Krisenregionen.

Fragwürdig ist auch, aus welchen Erstaufnahmeländern Geflüchtete im Rahmen des Resettlementprogramms überwiegend aufgenommen werden. Aktuell nimmt Deutschland im Rahmen des EU-Türkei-Deals vor allem Syrer*innen aus der Türkei auf. Dass die Aufnahme in diesem Fall an Rückführungen aus Griechenland in die Türkei und mehr Engagement der Türkei im EU-Grenzschutz geknüpft ist, ist nur ein Beispiel dafür, dass die Auswahl der Herkunftsländer sich nicht nur nach den Bedürfnissen flüchtender Menschen, sondern auch und vor allem nach politischen Interessen der aufnehmenden Staaten richtet. Die an sich humanitäre Idee des Resettlements wird so mit einer zunehmenden Abschottung verbunden. Ein humanitäres Visum wäre weniger zentral organisiert und könnte von allen Botschaften in Krisen- und Erstzufluchtsstaaten ausgestellt werden.

Humanitäre Visa ermöglichen sichere Fluchtwege

Grundsätzlich sind die Resettlement-Programme vom UNHCR eben nicht dazu angedacht, Menschen einen sicheren und legalen Weg zu bieten, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen, sondern sind eine alternative Option, um Schutz zu erhalten. Auch der Weg in die individuellen Asylverfahren muss aber sicher möglich sein!

Wir erkennen an, dass die Resettlement-Programme des UNHCR – obwohl kritikwürdig – eine Möglichkeit für eine kleine Anzahl Geflüchteter sind, auf sicherem Weg dauerhaften Flüchtlingsschutz zu bekommen. Für uns ist jedoch klar: Es muss einen anderen Weg geben, Menschen auf der Flucht gefährliche und illegalisierte Routen nach Europa zu ersparen, um ihr individuelles Recht auf Asyl wahrnehmen zu können – ein Weg, der nicht nur einer sehr begrenzten Auswahl an Menschen offensteht. Ein humanitäres Visum wäre eine Möglichkeit, solche Wege zu schaffen.