Eine Warndatei (VWDG) zur besseren Bekämpfung von „Visamissbrauch“ war Hauptmotivation als im Juni 2013 der entsprechende Gesetzesentwurf verabschiedet wurde. Illegale Beschäftigung, Rauschgiftschmuggel, Menschenhandel und Kinderhandel werden in der Gesetzesvorlage als Hauptfolgen von Visamissbrauchsfällen genannt. Daher sollte eine zentrale Datenbank geschaffen werden die sämtliche Missbrauchsfälle aufzeichnet und bei Bedarf von den Behörden angefragt werden kann. Doch bereits vor dem eigentlichen Beschluss wurde deutlich, dass es bei dieser zusätzlichen Datenbank um mehr als nur die Bekämpfung von Visamissbrauch geht.
Die Bekämpfung von „irregulärer Migration“ und ein möglicher Abgleich mit der Anti-Terror-Datei sind ebenfalls Grund für diese Gesetzesvorlage, so das Polizeipräsidium damals[1]. Hinzu kommt, dass in der Datei nicht nur Visumsantragsstellende sondern auch Einladende, Verpflichtungsgebende und sonstige beteiligte Referenzpersonen gespeichert werden. Das weckt erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Niko Härting vom Deutschen Anwaltverein (DAV), Sönke Hilbrans von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) und der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert stellten bereits 2011 in einem Bericht für Heise Online[2] die Visa-Warndatei in Frage.
Es wird deutlich, dass hier Themen miteinander verbunden werden die nicht zusammengehören. Das inoffizielle Ziel, Migration noch stärker zu kontrollieren mit Terrorbekämpfung und Visamissbrauch. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun und bereits kleine versehentliche Fehler können zu falschen Anschuldigungen führen die rechtlich kaum zu widerlegen sind. Reisende können plötzlich aufgrund eines Fehlers in der Visa-Warndatei oder sogar in der Anti-Terror-Datei landen.
Auch eine freiwillige Aufnahme in die Datei ist möglich um zum Beispiel Verwechslungen auszuschließen oder wenn unter dem eigenen Namen unbefugt falsche Angaben gemacht worden sind. Dies zeigt bereits die potenziellen Gefahren einer solchen Datenbank. Denn wer schützt die Beteiligten vor dem Missbrauch des Visa-Warnsystems das eigentlich dazu gedacht ist, das Visasystem zu schützen. Die ständige Schaffung neuer Datenbanken kann nicht die Antwort darauf sein. In Deutschland besteht bereits eine ganze Reihe von Datenbanken. Unter anderem das Ausländerzentralregister, das Schengen Informationssystem (SIS), das Visa-Informationssystem (VIS), die Anti-Terror-Datei und das Bundeszentralregister. Datenschutzrechtliche und Verfassungsrechtliche Bedenken sind daher mehr als angebracht.
Zwei Jahre später wird klar, dass diese Warndatei kaum der Terrorbekämpfung hilft. Das geht aus der Bundesdrucksache 28/5817 hervor. In dem Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Juli 2015 wurden 4 Millionen Daten mit der Anti-Terror Datei abgeglichen. Nur in 7 Fällen gab es „dringende Versagungsgründe“ und in 97 Fällen wurden „sonstige Sicherheitsbedenken“ mitgeteilt. Diese unwesentliche Trefferquote (von 0,000175% bzw. 0,002425%) bestärkt die Frage nach dem Nutzen und der Verhältnismäßigkeit dieser Datei wie auch Ulla Jelpke von der Linksfraktion im Bundestag das Ergebnis kommentiert.
Insgesamt umfasst die Datenbank mittlerweile 22.348 Sachverhalte. Im Zeitraum zwischen dem 1. Juni 2013 bis 31. Juli 2015 gab es knapp 7 Millionen Abfragen durch die Auslandsvertretungen, Ausländerbehörden, polizeiliche Stellen und Staatsanwaltschaften.
Im kommenden Jahr (also nach drei Jahren) wird es eine Evaluation der Visa-Warndatei durch die Bundesregierung geben. Daraus muss hervorgehen ob die Datenbank den „Auslandsvertretungen eine verbesserte Entscheidungsgrundlage“ bietet oder ob die Gefahren einer solchen Datenbank größer als der eigentlich Nutzen sind. Letzteres wird sich die Bundesregierung als Selbstkritik wohl kaum eingestehen.
[1] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Verfassungsrechtliche-Bedenken-gegen-geplante-Visa-Warndatei-1366503.html
[2] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Verfassungsrechtliche-Bedenken-gegen-geplante-Visa-Warndatei-1366503.html