Im Februar berichteten wir an dieser Stelle über die extrem ungleichen Chancen, ein Visum für die Einreise nach Deutschland zu erlangen. Es wurde deutlich, dass Menschen aus Ländern des Globalen Südens dabei deutlich geringere Chancen haben, als Menschen aus anderen Staaten, was sich unter anderem an den Ablehnungsquoten der einzelnen Botschaften fest machen lässt. Wir beriefen uns dazu auf die Zahlen für 2013, welche die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der LINKEN hin veröffentlichte. Vor ein paar Tagen sind nun die Zahlen zu den Visaerteilungen 2014 bekannt gegeben worden.
Insgesamt ist dabei ein zahlenmäßiger Anstieg der erteilten Visa (2,5 Mio.) und ein generelles Absinken der Ablehnungsquote (5,73% ohne zurückgezogene Anträge) zu erkennen. Diese Verbesserung kam einem Großteil der Antragsstellenden zugute. So sanken die Ablehnungsquoten in fast allen asiatischen sowie süd- und mittelamerikanischen Staaten teilweise deutlich und auch die Mehrheit der afrikanischen Staaten konnte anteilsmäßig mehr erfolgreiche Visaanträge verzeichnen als im Vorjahr. Ausnahmen bilden jedoch beispielsweise Äthiopien, Benin oder der Sudan, wo die Quote weiter angestiegen ist.
Die erhöhten Visaerteilungen sind positive Nachrichten. Sie dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten nach wie vor enorm sind! So betragen die Ablehnungsquoten für viele afrikanische Staaten immer noch mehr als 20% (Guinea mit 46,57%!) und auch in Bangladesch und Pakistan wurden 24,49% bzw. 21,04% aller Anträge auf ein deutsches Visum abgelehnt. Währenddessen dürfen sich US-Amerikaner*innen und Kanadier*innen beispielsweise darüber freuen, dass ihre Anträge in ca. 99% der Fälle angenommen werden, während EU-Bürger*innen ohnehin die Freizügigkeit genießen (Die verhältnismäßig hohen Ablehungsquoten in Spanien und Italien ergeben sich aus Visa-Anträgen von nicht-EU-Bürger*innen). Diese Karte veranschaulicht, welche gravierenden Unterschiede bei den Annahmezahlen der einzelnen Botschaften bestehen:
Erstmals gab die Bundesregierung außerdem die Anzahl der zurückgezogenen Anträge bekannt. So zogen im letzten Jahr 12.301 Personen ihren Antrag auf ein Visum zurück, beispielsweise weil sie sich keinen Erfolg davon versprachen, die hohen Anforderungen der Botschaft zu erfüllen. Zahlen können die Realitäten nicht voll und ganz erfassen, mit denen Menschen aus aller Welt konfrontiert werden, wenn sie ein Visum für Deutschland beantragen möchten. Dennoch können sie uns ein Gefühl für die bestehende Ungleichheit geben.
Darüber hinaus sind nicht nur die nackten Zahlen ein Beleg dafür, dass deutsche Auslandsvertretungen mit zweierlei Maß messen. Auch die rechtlichen Bedingungen, welche die Einreise nach Deutschland erst ermöglichen, sind von Staat zu Staat unterschiedlich und benachteiligen Staatsangehörige aus dem Globalen Süden, wie diese Karte deutlich macht:
Quelle: Netzwerk Migration in Europa e.V.
In ihrer Anfrage kritisierte die LINKE, neben langer Wartezeiten bei der Bearbeitung eines Antrags und der Auslagerung behördlicher Aufgaben an „externe Dienstleister“, auch das Kriterium der „Rückkehrbereitschaft“. Deren Abschaffung ist eine unserer Kernforderungen und begründet sich durch die schwammige und vorverurteilende Natur des Kriteriums, welches behördlicher Willkür Tür und Tor öffnet.
Dass der enorme Ermessensspielraum deutscher Botschaften strukturellen Rassismus fördert, macht nicht zuletzt eine Äußerung der Bundesregierung selbst deutlich. So zeigt die Antwort auf eine kritische Frage zur Vergabe von Mehrfachvisa, dass auch das Auswärtige Amt scheinbar keine Kontrolle über die Vorgänge in bestimmten Botschaften hat und diese tatsächlich nicht mit den rechtlichen Grundlagen ihrer Arbeit vertraut zu sein scheinen:
„Das Auswärtige Amt hat das Pilotverfahren zum Anlass genommen, die Visastellen, insbesondere in Indien, nochmals ausdrücklich auf die geltende Rechtslage zu Mehrfachvisa hinzuweisen. […] Im Rahmen der Aus- und Fortbildung werden die Mitarbeiter ausführlich mit dem Thema „Willkommenskultur in der Visastelle“ und den vielfältigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland an der Einreise von Ausländern nach Deutschland vertraut gemacht.“ (Drucksache 18/4765; S. 16)
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