Auf europäischer Ebene wird zurzeit die Idee eines humanitären Visums heiß diskutiert.
Bereits nach der aktuellen Fassung des Visakodex gibt es zwar die Möglichkeit, räumlich beschränkte Visa aus humanitären Gründen zu erteilen (Art. 25 Abs. 1 Buchst. a). Nach einem kürzlich ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bedeutet dies aber nicht, dass die Mitgliedsstaaten verpflichtet sind, humanitäre Visa auszustellen. Der EuGH begründet dies unter anderem mit dem Anwendungsbereich des Visakodex. Dieser erfasse nur Anträge für geplante Aufenthalte von höchstens 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen. Anträge, die mit dem Ziel gestellt werden, nach Erteilung des Visums und der Einreise einen Asylantrag zu stellen, fallen nicht in den Anwendungsbereich des Visakodex. Denn damit würde die Erteilung eines Aufenthaltstitels angestrebt, dessen Gültigkeit nicht auf 90 Tage beschränkt ist. Somit gelte für einen solchen Antrag auf Erteilung eines humanitären Visums nicht der Visakodex, sondern das nationale Recht. Kurz und knapp: Der Visakodex erlaubt also ein Visum aus humanitären Gründen zu erteilen, schreibt es die Mitgliedsstaaten aber nicht vor.
Es bestehen also nach wie vor nur begrenzte Möglichkeiten für Geflüchtete legal in die EU einzureisen.
Überarbeitung des Visakodex in der EU
Dies könnte sich durch die Neufassung des EU-Visakodex ändern. Am 1.4.2014 stellte die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung des Visakodex vor. Darin sind verschiedene Erleichterungen für die Visavergabe vorgesehen. So soll beispielsweise die Pflicht, den Abschluss einer gültigen Krankenversicherung nachzuweisen, gestrichen werden. Auch sollen die Bearbeitungszeiten verkürzt und bestimmte Personengruppen von der Errichtung der Visumgebühr befreit werden. Grundsätzlich also eine positive Entwicklung.
Am 25.4.2016 veröffentlichte der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments einen Bericht mit Ergänzungen und Änderungsvorschlägen. Dabei schlägt er unter anderem eine Regelung zur Einführung eines humanitären Visums vor. So soll nach Art. 22 Abs. 5 Buchst. a) für Personen, die internationalen Schutz suchen, die Möglichkeit bestehen, ein europäisches humanitäres Visum zu beantragen. Dies soll bei jedem Konsulat oder jeder Botschaft der Mitgliedsstaaten möglich sein. Außerdem wird klargestellt, dass die Mitgliedsstaaten bei der Prüfung, ob sie Visa nach dem Visakodex erteilen, ihren internationalen Verpflichtungen nachkommen sollen.
Nächste Schritte
Bisher handelt es sich lediglich um einen Änderungsvorschlag des zuständigen Parlamentsausschusses, der der Zustimmung des EU-Parlaments und des Rates der EU bedarf. Selbst wenn der Rat der EU diesem Vorschlag zur Einführung eines humanitären Visums folgt, wird es noch einige Zeit dauern bis sich an der Situation für Geflüchtete tatsächlich etwas ändert. Zum einen sind die Verhandlungen über die Neufassung des Visakodex noch lange nicht abgeschlossen und zum anderen wird die oben genannte Regelung erst 2 Jahre nach Inkrafttreten der Neufassung des Visakodex wirksam werden. Zwar ist der Zweck dieser Regelung die Einführung einer legalen Fluchtmöglichkeit. Allerdings sind die genauen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen humanitären Visums nicht klar. Die EU-Kommission soll innerhalb von 2 Jahren nach Inkrafttreten der Neufassung des Visakodex die genauen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen humanitären Visums ausarbeiten. Ob dadurch tatsächlich Geflüchteten die Möglichkeit eröffnet wird, legal in die EU einzureisen oder ob es sich um reine Symbolpolitik handelt, bleibt abzuwarten.
Deshalb werden wir den europäischen Gesetzgebungsprozess weiterhin im Blick behalten. Dabei werden wir den Kontakt zu Abgeordneten suchen und nach Möglichkeiten schauen, wie ein humanitäres Visum in die Überarbeitung des Visakodex eingegliedert werden kann.