Vor ein paar Tagen einigte sich die Große Koalition bezüglich eines Gesetzesentwurfs zur Änderung des Asylrechts („Asylpaket II“). Dieses Gesetz wird voraussichtlich schon in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden. Eine erste Lesung findet an diesem Freitag, den 19.2.15 statt.
Der Gesetzesentwurf enthält massive Verschärfungen des Asylrechts. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
1. Beschleunigte Verfahren, § 30a AsylG
Der Entwurf beinhaltet die Einführung sogenannter „Beschleunigter Verfahren“ durch den neuen § 30a AsylG. Danach kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in bestimmten Fällen innerhalb einer Woche über den Asylantrag entscheiden. Die Frist, Klage zu erheben, wird in diesen Fällen auf eine Woche verkürzt und auch das zuständige Gericht soll über eine entsprechende Klage innerhalb einer Woche entscheiden. Dies bedeutet eine massive Einschränkung der Verfahrensrechte der Betroffenen. Insbesondere mit Blick auf die möglichen Folgen und Kosten, die mit einer Klageerhebung verbunden sind, ist eine Frist von einer Woche eindeutig zu kurz. Dies erweckt den Eindruck, dass Asylsuchenden bewusst die Rechtsschutzmöglichkeiten erschwert werden sollen. Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) ist damit äußerst fraglich.
Die möglichen Anwendungsfälle, in denen ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt werden kann, sind denkbar vielfältig, da der Gesetzesentwurf völlig unbestimmte Formulierungen enthält. So reicht schon die Vermutung, dass der Asylsuchende seine Reisedokumente vernichtet hat aus, um ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen. Auch ausreichend soll es sein, dass der Asylsuchende – nach Meinung der Behörde – offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat.
2. Nichtbetreiben des Verfahrens, § 33 AsylG
In bestimmten Fällen kann dem Asylsuchenden unterstellt werden, er würde sein Asylverfahren nicht betreiben. In diesen Fällen „gilt“ der Asylantrag als zurückgenommen. Dies wird nach dem geänderten § 33 AsylG schon dann angenommen, wenn der Asylsuchende seiner „Residenzpflicht“ nicht nachkommt, also seinen ihm zugewiesenen Wohnort verlässt. Die Folge ist, dass er in sein Herkunftsland abgeschoben wird, aus dem er gerade geflohen ist, um Schutz zu suchen. Diese Bestimmung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und somit gegen ein grundlegendes Prinzip des Rechtsstaats.
3. Familiennachzug, § 29 AufenthG
29 AufenthG wird dahingehend geändert, dass ein Familiennachzug erst nach einer Wartefrist von 2 Jahren stattfinden kann. Diese jahrelange Trennung von Familien ist mit dem Grundrecht auf Schutz der Familie nach Art. 6 GG sowie mit Art. 8 EMRK kaum zu vereinbaren. Auch wird die erst am 1. 8. 2015 eingeführte Gleichstellung von subsidiär Geschützten mit anerkannten Geflüchteten wieder rückgängig gemacht. Für subsidiär Geschützte ist ein Familiennachzug nur unter deutlich erschwerten Voraussetzungen möglich.
4. Verbot der Abschiebung, § 60 VII AufenthG
Eine weitere Verschärfung bedeutet die Änderung des § 60 VII AufenthG. Danach soll nun die Abschiebung von lebensbedrohlich erkrankten Menschen möglich sein. Für die Länder Ghana und Nigeria wird die Vermutung aufgestellt, dass in diesen eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet ist. In diesen Fällen wird nicht mehr in jedem Einzelfall geprüft, ob eine konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen vorliegt, sondern es wird pauschal vermutet, dass dies nicht der Fall sei.
Die geplanten Änderungen des Asylrechts bedeuten eine massive Gefährdung der Menschenrechte von Geflüchteten und die Vereinbarkeit des Gesetzesentwurfs mit dem Grundgesetz, der europäischen Menschenrechtskonvention sowie der Genfer Flüchtlingskonvention ist äußerst fraglich.
Darüber hinaus bedeuten Maßnahmen wie die Einschränkung des Familiennachzugs einen weiteren Schritt, bei dem die wenigen verbliebenen Wege der legalen Einreise bewusst versperrt werden. Solange eine Kontingentlösung für ganz Europa von den meisten Akteuren abgelehnt wird, werden dadurch noch mehr Menschen über die tödlichen Meer- und Landrouten getrieben. Statt durch eine grundlegende Reform der Visaregularien (z.B. durch die Einführung eines Visums für Geflüchtete) mögliche Alternativen zu schaffen, verfestigt die Koalition damit den Status Quo, beschneidet Menschenrechte und trägt in keinster Weise zu einer Lösung der Situation bei. Wir fordern deshalb die Abgeordneten des Bundestages auf, das Asylpaket II zu verhindern und gegen den Gesetzesentwurf zu stimmen!
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